Die Wohnungslüftung mit Wärmerückgewinnung gehört zur Standard-Haustechnik beim energieeffizienten Bauen und Sanieren. Ein Gespräch mit Dipl.-Ing. Barbara Kaiser, Abteilungsleiterin für Wohnungslüftung beim Bundesverband der Deutschen Heizungsindustrie e.V. zeigt Fakten und Vorteile deutlich auf.
Bild: Bei einer zentralen Lüftungsanlage wird die feucht-warme Abluft aus Küche, WC und Bad über ein Luftkanalsystem abgeführt. Über Luftöffnungen strömt die frische Zuluft von draussen in die Schlaf- und Wohnräume. Sie können das Bild hier vergrößern um die Details besser zu sehen!
Wohnungslüftung für gesunde Raumluft
Fach-Interview mit Infos und Fakten, September 2023
Die gesetzlichen Anforderungen an den Dämmstandard von Gebäuden werden vom Gesetzgeber stetig erhöht. Das hält zwar einerseits die Wärme im Haus, verhindert jedoch andererseits durch die Luftdichtigkeit der Gebäudehülle, dass verbrauchte, feuchte Luft durch Undichtigkeiten entweicht.
Die Folge ist eine schlechte Qualität der Innenraumluft. Dies kann sowohl zu gesundheitlichen Problemen bei den Bewohnern als auch zu einem langfristigen Wertverlust der Immobilie durch Feuchteschäden führen.
Manuelles Lüften schafft meist nur unzureichend Abhilfe und „lüftet“ zudem einen Großteil der eingedämmten Wärme zum Fenster hinaus. Die effizienteste Lösung für dauerhaften Feuchteschutz und eine gesunde Raumluft ist der Einbau einer Wohnungslüftung mit Wärmerückgewinnung. Dipl.-Ing. Barbara Kaiser (Foto), Abteilungsleiterin für Wohnungslüftung beim Bundesverband der Deutschen Heizungsindustrie e.V. - BDH - erklärt, warum diese Haustechnik zum Standard im Neubau und in der energetischen Sanierung gehört.
Frage 1: Warum werden Wohngebäude heute so dicht gebaut und welche Auswirkungen hat das auf die Raumluftqualität?
Durch die immer wertvoller und teurer werdende Energie, die wir auch zum Heizen benötigen, steigt die Bedeutung von energieeffizienten Gebäuden und unnötige Wärmeverluste sollten möglichst vermieden werden. Wärmeverluste bei Gebäuden setzen sich zusammen aus den Transmissions-Wärmeverlusten (Wärme, die durch die Gebäudehülle entweicht) und den Lüftungswärmeverlusten (Wärme, die beim Lüften ins Freie gelangt). Die Bewohner eines Gebäudes brauchen eine bestimmte Raumluftqualität, genauso wie sie ausreichend Nahrung und Wasser zum Leben und Arbeiten benötigen. Schlechte Raumluft kann kurzfristig zu Konzentrationsschwierigkeiten und schlechtem Schlaf und mittel- und langfristig zu Atemwegserkrankungen und anderen gesundheitlichen Beeinträchtigungen führen.
Frage 2: Warum ist manuelles Lüften zumeist keine Option, wenn es um gesunde Raumluft bei maximaler Energieeinsparung geht?
Das ist einfach physikalisch kaum möglich: Manuelles Lüften, also die Fenster per Hand zum Lüften zu öffnen, müsste mehrmals täglich ca. 10-30 Minuten erfolgen, je nach Jahreszeit. Dies ist meist aufgrund der Lebensgewohnheiten und Arbeitszeiten der Bewohner gar nicht möglich. Hauptsächlich aber wird mit dem „Lüften per Hand“ die kostbar erzeugte Raumwärme in den Wintermonaten einfach wieder zum Fenster hinaus gelüftet. Zudem kommt es zu Komforteinbußen und Zuglufterscheinungen in den Räumen.
Selbst zweimaliges Stoßlüften am Tag ist meist unzureichend für den geforderten Mindestluftwechsel. Mehr als die Hälfte der Wärmeverluste eines Gebäudes gehen auf das Konto des manuellen Fensterlüftens. Das ist weder energetisch noch für den Geldbeutel eine sinnvolle Option. Um dem vorzubeugen, wird in Deutschland nach der Norm DIN 1946-6 ein Lüftungskonzept für alle Neubauten sowie im Sanierungsfall, wenn mehr als ein Drittel der Fenster ausgetauscht bzw. mehr als ein Drittel der Dachfläche neu abgedichtet werden, gefordert.
Frage 3: Welche langfristigen Vorteile gewinnt man mit Lüftungsanlagen?
Lüftungssysteme funktionieren ohne besondere Bedienung und arbeiten in der Regel vollautomatisch. So herrscht in den Wohnräumen jederzeit frische Luft und ein angenehmes Wohnklima. Außerdem wird die Luftfeuchtigkeit reguliert, so wird Schimmel- und Feuchteschäden vorgebeugt. Geräte mit Wärmerückgewinnung übertragen in der kalten Jahreszeit die Wärmeenergie der warmen Abluft auf die Zuluft, sodass weniger geheizt werden muss. Durch den Einsatz von EC-Ventilatoren ist der elektrische Betrieb von Lüftungsgeräten im Vergleich zu der durch die Wärmerückgewinnung eingesparten Heizenergie äußerst gering.
Beim Thema Hygiene in Pandemiezeiten haben Studien gezeigt, dass Lüftungsanlagen einen hohen Beitrag zur Vermeidung der Ansteckung leisten, da die Luft permanent mit virenfreier Außenluft angereichert und damit verdünnt wird. Zusätzlich werden Schadstoffe und Pollen durch die eingebauten Filter herausgefiltert. Eine Wohnraumlüftung ist also kein Luxusartikel, sondern eine notwendige Haustechnik, die im Kontext des energieeffizienten Bauens und Sanierens für jeden Bauherrn selbstverständlich sein sollte. Energetisch sinnvoll ist dabei nur eine Anlage mit Wärmerückgewinnung.
Frage 4: Wie funktionieren Lüftungsanlagen und wie lassen sich diese effizient steuern?
Eine Lüftungsanlage erzeugt einen permanenten Luftwechsel der Raumluft. Das zentrale Lüftungsgerät kann auf dem Dachboden, wie die Grafik oben zeigt, im Keller, im Hauswirtschaftsraum (siehe Bild unten) oder in der abgehängten Decke bzw. im Wandschrank installiert werden - je nach den baulichen Eigenschaften des Gebäudes. Über ein Luftkanalsystem wird die warme feuchte Abluft aus den Ablufträumen (Küche, WC und Bad) abgeführt. Frische Zuluft strömt in die Schlaf- und Wohnräume, in die sogenannten Zulufträume. Die Wärmerückgewinnung erfolgt über den Wärmeübertrager im Lüftungsgerät. Hier strömen Abluft und Zuluft aneinander vorbei und tauschen die Energie, die Wärmeenergie wird „zurückgewonnen“ und somit die frische Zuluft bereits vorgewärmt.
Die dezentrale Lüftung weist bezüglich Wärmerückgewinnung ähnliche Eigenschaften auf wie die zentrale Lüftung. Hier werden die einzelne Lüftungsgeräte in die Außenwände der Räume eingesetzt. Das verdeutlicht die folgende Grafik:
Frage 5: Was sind die Unterschiede zwischen dezentraler und zentraler Lüftung und bei welchen baulichen Rahmenbedingungen werden die Systeme eingesetzt?
Systeme zur Wohnraumlüftung gehören heute zum Standard im Neubau und in der energetischen Sanierung. Der Hauptunterschied bei den Systemen ist, dass es bei der dezentralen Lüftung kein Luftverteilsystem gibt und die Lüftungsgeräte direkt in der Außenwand der jeweiligen Räume installiert werden können. Damit ist die Montage der dezentralen Lüftung bei Bestandsgebäuden einfacher, die Schallübertragung von Außengeräuschen und auch von Eigengeräuschen der Geräte ist allerdings höher, da diese direkt in den Räumen installiert werden. Bei der Sanierung werden häufig dezentrale Lüftungsgeräte bevorzugt.
Im Neubau von Ein- und Zweifamilienhäusern, aber auch bei mehrgeschossigen Gebäuden, wo Luftverteilsysteme und die Platzierung des Lüftungsgerätes direkt bei der Planung im Rohbau berücksichtigt werden können, bietet sich der Einsatz eines zentralen Lüftungssystems mit Wärmerückgewinnung an.
Blick auf die Zentrale der Anlage: Für jedes Bauprojekt gibt es ein passendes Lüftungssystem.
Frage 6: Können Sie uns ungefähre Kostendimensionen benennen für eine zentrale und eine dezentrale Lösung inkl. Montage?
Die Kosten für eine zentrale Lüftungsanlage mit Wärmerückgewinnung liegen installiert bei ca. 8.000-12.000 Euro. Ein dezentrales Lüftungsgerät hingegen kostet ca. 700-1.000 Euro plus Montage. Die Gesamtkosten hängen hier sehr von der individuellen Planung und Auslegung ab und auch, ob nur einzelne Räume oder das komplette Haus belüftet werden sollen.
Bei einer vergleichbaren Auslegung der Luftleistung geht man von der Erfordernis von 4-5 dezentralen Geräten je Wohneinheit aus. Für Wohnungslüftungssysteme mit Wärmerückgewinnung gibt es auch eine staatliche Förderung über die Bundesförderung für effiziente Gebäude (BEG) sowie unterschiedliche Förderprogramme der einzelnen Bundesländer, aufgelistet unter www.wohnungs-lueftung.de.
Frage 7: Wo kann man verlässliche, weiterführende Informationen zum automatischen Lüften finden?
Weiterführende Informationen zur Systemtechnik, zu interessanten Lüftungsnews und den Fördermöglichkeiten gibt es bei der Initiative „Gute Luft“ unter www.wohnungs-lueftung.de
Bild: Moderne zentrale Lüftungsanlagen sind heute nicht größer als ein Kühlschrank, sie sind leise und elegant in Räumen, wie zum Beispiel im Hausarbeitsraum, installierbar.
Alle Bilder und Grafiken: © Initiative „Gute Luft“
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