Warum ist eine Lüftungsanlage notwendig bei energieeffizientem Bauen und Renovieren?

Ein Expertengespräch mit Prof. Dr.-Ing. Thomas Hartmann vom ITG Dresden. Der unabhängige Lüftungsexperte gibt im Gespräch Einblicke in die Funktionsweise einer Wohnraumlüftung und räumt mit einigen Vorurteilen auf.

Lüftungsanlagen plus Wärmerückgewinnung - gesund plus effizient
Lüftungsanlagen sorgen kontinuierlich für frische Luft im Innenraum. Darüber hinaus schützen diese Anlagen auch vor störenden Außengeräuschen und sind dank Wärmerückgewinnung äußerst energieeffizient. (Bildquelle: Initiative „Gute Luft“ – www.wohnungs-lueftung.de)



Köln/Bietigheim-Bissingen/Berlin im Juli 2022


Das Thema Lüften ist derzeit in aller Munde. Denn ein regelmäßiger Luftaustausch reduziert die Virenlast und damit das Ansteckungsrisiko in Innenräumen deutlich. In Neubauten und bei energetischen Sanierungen ist die Wohnungslüftungsanlage inzwischen zum Standard geworden. Der unabhängige Lüftungsexperte Prof. Dr.-Ing. Thomas Hartmann vom Institut für technische Gebäudeausrüstung (ITG) in Dresden gibt im Gespräch mit der Initiative „Gute Luft“ Einblicke in die Funktionsweise einer Wohnraumlüftung und räumt mit einigen Vorurteilen auf.

1. Warum ist eine Lüftungsanlage notwendig beim energieeffizienten Bauen und Renovieren?

Energieeffiziente Gebäude sind durch geringe Gebäudewärmeverluste und eine effiziente Anlagentechnik gekennzeichnet. Die Gebäudewärmeverluste wiederum setzen sich aus den Transmissionswärmeverlusten (also dem Wärmestrom durch die Bauteile der Gebäudehülle) und den Lüftungswärmeverlusten (also dem Wärmestrom beim hygienisch notwendigen Austausch der Luft) zusammen. Nur mit Lüftungsanlagen mit Wärmerückgewinnung und mit Sensoren zur Erfassung der Luftqualität können die Lüftungswärmeverluste wirksam reduziert werden. Also: Ohne Lüftungsanlage würde man einen entscheidenden Teil des Energiebedarfs von energieeffizienten Gebäuden einfach vernachlässigen.

Lüftungsanlage im Einfamilienhaus - Grafik Hausquerschnitt
"Nur mit komplexen Lüftungsanlagen kann man die Lüftungswärmeverluste in hochwärmegedämmten Gebäuden wirksam reduzieren", erklärt Prof. Thomas Hartmann vom ITG Dresden. (Bildquelle: Initiative „Gute Luft“ – www.wohnungs-lueftung.de)


2. Welchen Vorteil besitzen Wohnungslüftungsanlagen im Gegensatz zur manuellen Fensterlüftung?

Prof Hartmann ITG Dresden (Privatfoto)Welchen Beitrag leistet eine solche Anlage zum Thema gesunde Luft? Prof. Thomas Hartmann erklärt: Empfehlungen für richtiges Fensterlüften kennen alle, nämlich regelmäßig und mehrmals am Tag möglichst in allen Räumen stoßlüften, im Winter ca. 5-10 Minuten, in den wärmeren Monaten ca. 10-30 Minuten. Aber wird das auch wirklich gelebt oder verhindern der normale Tagesablauf, lauter Straßenlärm oder eine staubbelastete Umgebung zu oft die Umsetzung dieser Ratschläge? Genau hier sind die Vorteile von Wohnungslüftungsanlagen zu erkennen. Sie funktionieren ohne konkrete Bedienung – und das kontinuierlich – sowie hygienisch (mit Filtern), bieten Schutz vor störenden Außengeräuschen (keine offenen Fenster und mit Schalldämpfern) und sind nicht zuletzt energieeffizient (mit Wärmerückgewinnung). Und insbesondere das Thema Hygiene hat in Pandemiezeiten natürlich einen ganz anderen Stellenwert bekommen. Dass dabei Lüftungsanlagen einen Beitrag insbesondere zur Verhinderung der Ansteckung über Aerosole leisten können, ist inzwischen wissenschaftlich abgesichert durch eine Vielzahl an Studien und Untersuchungen.

3. Wie hoch ist die durchschnittliche Heizenergie-Einsparung beim Einsatz einer Wohnraumlüftung mit Wärmerückgewinnung?

Eine spannende Frage: Tatsächlich lässt sich feststellen, dass die durch Lüftungsanlagen mit Wärmerückgewinnung eingesparte Menge an Heizenergie (in kWh/a) fast unabhängig vom baulichen Zustand des Gebäudes ist. Damit gilt, dass je besser ein Gebäude wärmegedämmt ist, die relative Einsparung (in %) umso größer wird. In modernen Gebäuden liegen die Transmissionswärme- und Lüftungswärmeverluste grundsätzlich einer ähnlichen Größenordnung (also je 50% der Gebäudewärmeverluste). Durch eine Wärmerückgewinnung lassen sich mindestens 80% der Lüftungswärmeverluste zurückgewinnen. Wenn Sie eine solche effiziente Lüftungsanlage in einem sehr dichten Gebäude betreiben und wegen der Lüftungsanlage weitgehend auf das manuelle Fensterlüften verzichten, können Sie tatsächlich bis zu 40% der Wärmeverluste vermeiden.

Energieeinsparung Wärmerückgewinnung - Grafik

Grafik: In modernen Gebäuden wird ca. 50 Prozent der Heizenergie für die Aufheizung der notwendigen Frischluftzufuhr benötigt. Hier lässt sich viel Energie sparen durch Wärmerückgewinnung in der Wohnungslüftung! (Bildquelle: Initiative „Gute Luft“ – www.wohnungs-lueftung.de)

4. Sind Lüftungsanlagen nicht laut, unhygienisch und verbrauchen viel Strom?

Wie bei jedem technischen System, ist auch bei einer Lüftungsanlage auf eine fachgerechte Planung, Installation und Wartung zu achten. Dann sind die angesprochenen Themen Schallschutz (Schutz vor Gerätegeräuschen mit Schalldämpfern), Hygiene (mit hochwertigen Filtern) sowie Energieverbrauch (mit hocheffizienten Ventilatoren) sehr gut in den Griff zu bekommen. Um es konkret zu machen: Filter sollten regelmäßig inspiziert und bei Bedarf gereinigt bzw. getauscht werden, als Richtwert gilt ein halbes Jahr für den Filterwechsel. Und beim Einsatz einer Zu-/Abluftanlage in einem Einfamilienhaus können Sie bei aktuellen Strompreisen mit zusätzlichen Stromkosten von ca. 100 bis 150 Euro pro Jahr für die Lüftungsanlage rechnen.

5. Mit welchen Kosten hat man bei der Anschaffung einer kontrollierten Wohnungslüftung zu rechnen?

Das hängt natürlich von den Randbedingungen ab:
Wie groß ist die Wohnung bzw. das Gebäude?
Welches Lüftungssystem wird eingesetzt?
Wie sind die Marktbedingungen (Auslastung von Herstellern, Planern und Installateuren)?

Für ein Einfamilienhaus kann man bei der Investition in eine Lüftungsanlage mit Kosten zwischen 7.000 bis 12.000 Euro inkl. Montage rechnen. Wichtig ist es, sich vor Baubeginn über Fördermöglichkeiten zu informieren. So wird bspw. mit dem BEG (Bundesförderung für effiziente Gebäude, siehe www.kfw.de und www.bafa.de) der Einbau von Lüftungsanlagen im Bestand und im Neubau gefördert.

6. Betriebskosten einer Wohnraumlüftungsanlage mit Wärmerückgewinnung im Dauerbetrieb

Sind die Betriebskosten (Wartung, Filterwechsel, Strom) einer Wohnraumlüftungsanlage mit Wärmerückgewinnung im Dauerbetrieb nicht höher als die eingesparten Heizenergiekosten? Grundsätzlich lässt sich sagen, dass auch bei ungünstigen Verhältnissen die Einsparungen an Heizkosten auf jeden Fall die Betriebskosten für Wartung, Filterwechsel und Ventilatorstrom übersteigen. Die mögliche Einsparung hängt jedoch von vielen Randbedingungen ab: welches Lüftungssystem, welches Heizungssystem (insbesondere Energieträger), welche Nutzungsgewohnheiten und der Gebäudestandort. Ein einfaches Beispiel: An einer vielbefahrenen Straße mit hoher Staubbelastung müssen Sie die Filter eventuell sogar vierteljährlich tauschen, die laufenden Kosten sind entsprechend höher. Auf eine Lüftungsanlage würden Sie aus hygienischen und schalltechnischen Gründen trotzdem nicht verzichten wollen.

Unabhängig von den Betriebskosten liegen natürlich die grundlegenden Vorteile von Lüftungsanlagen auf der Hand:
Hoher Wohnkomfort in Verbindung mit guter Luftqualität und hoher thermischer Behaglichkeit (kein Zugluftrisiko)
Wesentlicher Baustein für moderne, nachhaltige und energieeffiziente Gebäude
Wertsteigerung der Immobilie und nachhaltiger Bautenschutz durch Vermeidung von Feuchteschäden


Fakten und Expertenstimmen zur Wohnungslüftung
Eine gesunde Raumluft ist essenziell für unser Wohlbefinden
– Fakten und Expertenstimmen rund um die automatische Wohnraumlüftung gibt es auch in der Infobroschüre der Initiative „Gute Luft“: Jetzt hier herunterladen als Pdf-Datei.


Über die Initiative „Gute Luft
Frische Luft liegt uns am Herzen! Erfahren Sie mehr über die Vorteile von Lüftungsanlagen unter www.wohnungs-lueftung.de. Initiatoren dieses Verbraucherportals sind die renommiertesten Verbände in der Lüftungsbranche: BDH (Bundesverband der Deutschen Heizungsindustrie e.V.), FGK (Fachverband Gebäude-Klima e.V.) sowie IGDWL (Verband der Interessensgemeinschaft Dezentrale Wohnungslüftung e.V.).



Große Erleichterung für Allergiker bringen Wohnungs-Lüftungsanlagen mit integriertem Pollenfilter. Der Filter verhindert, dass Blütenpollen und Schadstoffe ins Haus gelangen und Pollenallergiker zuhaus unbeschwert durchatmen können.
(Foto: © drubig-photo/Pixabay/Initiative „Gute Luft“)

  BauPraxis Link Tipp

Wann Wohnungslüftung notwendig?
Wann ist eine kontrollierte Wohnraumlüftung notwendig?

Der Hauptgrund für eine Wohnraumlüftungsanlage ist eine luftdichte Gebäudehülle bei heutigen Häusern zum Zweck der hohen Energieeinsparung.
Zugleich wird aber im Neubau und der energetischen Sanierung gemäß DIN 1946-6 eine ausreichende Luftzufuhr gefordert. Welche Luftmengen dabei konkret erreicht werden müssen durch eine automatische Lüftung, zeigt eine individuelle Bedarfs-Berechnung (Lüftungskonzept)...


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